Kunst tut Not: Roma in Europa – eine Akademie unter Bäumen

Nein es hat nicht geregnet an diesem grauen Septembertag! Und so konnten die Gäste, die aus vielen Ländern Europas zur internationalen Konferenz angereist waren doch zum Thema „Kunst tut Not: Roma in Europa – eine Akademie unter Bäumen“ im Park der Stiftung tagen.

© Stiftung Genshagen | René Arnold

Datum

11. September - 12. September 2014

Alle zwei Jahre organisiert die Stiftung Genshagen eine „Akademie unter Bäumen“. Im Zentrum dieser Veranstaltungsreihe stehen Themen, die als besondere Herausforderungen unserer Zeit betrachtet werden.

Gemeinsam mit der Hildegard Lagrenne Stiftung für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland hat sich die Stiftung Genshagen bei der diesjährigen „Akademie unter Bäumen“ mit der Minderheit der Roma befasst. Mit ca. 12 Millionen Menschen repräsentieren die Roma die größte Minderheit in Europa. Eine signifikante Zahl von ihnen lebt in extremer Marginalisierung und in vielen Ländern Europas ist Antiziganismus an der Tagesordnung.

Jahrhundertelang waren Roma Gegenstand der Kunst von „Nicht-Roma“. Wenn sicherlich auch positive Assoziationen durch die Kunst weitergetragen wurden, so wurden doch mehrheitlich negative Stereotype in den Vordergrund gestellt und Vorurteile transportiert. Werden Roma heute noch immer als Fremde dargestellt oder spiegelt sich die Lebenswirklichkeit einer diskriminierten Minderheit in der Kunst wider? Wie steht es um Roma-Künstler und Künstlerinnen? Gibt es über gemeinsame Motive hinaus überhaupt eine „Roma-Art“? Und welche Rolle können Kunst und Kultur bei der Inklusion der Roma in Europa und beim Abbau von Vorurteilen ihnen gegenüber spielen? Um diese Fragen zu diskutieren, wurde ein Austausch auf kommunaler Ebene angeregt und hierfür Vertreter von künstlerisch-kulturellen Projekten aus verschiedenen europäischen Städten eingeladen, sich ihre Konzepte gegenseitig vorzustellen.

Bertrand Verfaillie vom Collectif Solidarité Roms et Gens du voyage, stellte das in Lille stattfindende Festival „Rom 3000“ vor, das von Franzosen und Roma gemeinsam organisiert wird, und einer breiten Öffentlichkeit die Kultur der dort lebenden Roma erfolgreich nahebringt.

In Košice, der zweitgrößten Stadt der Slowakei, gibt es das einzige professionelle Roma-Theater des Landes. Karel Adam, Direktor des Theaters, führte in Genshagen anschaulich vor Augen, wie das Theater die Identität der dortigen Minderheit der Roma stärkt und gleichzeitig der Verständigung mit der Mehrheitsgesellschaft dient.

Erst vergangenes Jahr wurde das „Museum der Roma-Kultur“ in Bukarest eröffnet. Dr. Ciprian Necula, Präsident der Romano ButiQ, stellte die Aktivitäten des Museums vor, das sich weniger als Museum im klassischen Sinn, als vielmehr als Plattform für Kommunikation und Verständigung versteht.

Bereits seit 1991 gibt es das Muzeum romské kultury im tschechischen Brno, das Jana Habrovcová, stellvertretende Direktorin, präsentierte. Neben seinen rund 30.000 Exponaten, einer umfassenden Bibliothek, ist es mit Lesungen, Konzerten, Diskussionen, Performances und Sprachkursen mehr als nur ein Museum. Es versteht sich als Institution zur Pflege der Geschichte und Kultur der Roma.

Prof. Dr. David Gaunt, Professor Emeritus vom Centre for Baltic and East European Studies der Universität Södertörn in Stockholm erläuterte die Chancen und Herausforderungen beim Aufbau eines offenen Seminarprogramms über die Roma, um das Wissen über ihre Geschichte, Kultur und Situation in der Bevölkerung zu stärken. Darüber hinaus startete die Universität auch ein Lehrerprogramm für das Romanes, eine der fünf offiziell anerkannten Minderheitensprachen in Schweden.

Riccardo M Sahiti, Leiter des Philharmonischen Vereins der Sinti und Roma in Frankfurt/Main, berichtete über die Arbeit des Vereins zur Pflege des musikalischen Erbes der Sinti und Roma. Zum Verein gehören verschiedene Ensembles, ein Streichorchester, ein Philharmonisches Orchester und ein Chor aus Sinti- und Roma-Musikern. Der Verein fördert die Ausbildung von Musikern und macht durch seine Aktivitäten die Sinti- und Roma-Musik einer breiten Öffentlichkeit bekannt.

Monika Weychert-Waluszko stellte die von ihr kuratierte Ausstellung „Houses as Silver as Tents“ in der Nationalen Kunstgalerie Zachęta in Warschau vor. Die Ausstellung präsentiert einerseits gängige Klischees und Vorurteile zu Roma in Kunstwerken des 19. und 20. Jahrhunderts, Klischees die andererseits in den Werken zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Ländern hinterfragt werden.

Über die Diskussionen unter den Bäumen zu diesen Projekte hinaus, spielten Musik, Malerei und Theater eine zentrale Rolle im Verlauf der Konferenz: Es wurden Bilder der bekannten spanischen Roma-Künstlerin Lita Cabellut gezeigt und der Schauspieler Folkert Dücker las aus Rike Reinigers Theaterstück „Zigeuner-Boxer“. Für musikalische Impulse sorgten die Berliner Sinti-Swing-Band von Janko Lauenberger und ein virtuoses klassisches Musikkonzert mit den Sinti Musikern Sandro Roy an der Geige und Jérôme Weiss am Klavier.

Die „Akademie unter Bäumen“ ist ein besonderes Format der Stiftung Genshagen, das an die „Dialogues en humanité“ der Stadt Lyon angelehnt ist. Dabei wird das traditionelle Konferenzformat aufgelöst und alle Teilnehmenden werden dazu ermutigt, sich gleichberechtigt in die Diskussion unter den Bäumen einzubringen, ihre Lebenserfahrung zu teilen und Wissen zu vermitteln.

Partner: Hildegard Lagrenne Stiftung für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland, Mannheim; Dialoges en humanité, Lyon

Ansprechpartner/in

Noémie Kaufman

Telefon

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